Um den Ersten Weltkrieg wirklich zu verstehen, sagt die Karl-Kraus-Expertin Katharina Prager, sollte man das Stück "Die letzten Tage der Menschheit" gesehen oder gelesen haben. Um zu begreifen, wie Europa – und schließlich die Welt – in diesen Krieg hineingeriet, muss man den Historikern zuhören. Und doch stehen wir heute, kaum hundert Jahre später, erneut vor einem Krieg auf europäischem Boden – dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

In seinem filmischen Essay untersucht Regisseur Wolfgang Ritzberger die beunruhigenden Parallelen zwischen der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und den geopolitischen Krisen der Gegenwart. Aufbauend auf der visionären Sprache von Karl Kraus zeigt der Film, wie Nationalismus, Propaganda und mediale Manipulation das Denken der Gesellschaft prägen – damals durch gedruckte Zeitungen, heute durch Algorithmen und soziale Medien.

Historiker und Militärexperten sind sich einig: Geschichte wiederholt sich nicht, aber ihre Mechanismen kehren zurück. So wie 1914 kaum jemand ahnte, dass das Habsburgerreich und das Deutsche Kaiserreich bald zerfallen würden, stellt sich heute erneut die Frage: Stehen wir am Rand eines neuen globalen Konflikts?

Szenen aus Die letzten Tage der Menschheit, gefilmt bei Aufführungen in der historischen Serbenhalle in Wiener Neustadt, bilden das Rückgrat des Films. In Kombination mit Experteninterviews, Archivmaterial und KI-generierten Bildsequenzen entsteht ein vielschichtiges Werk, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet – und zeigt, wie aktuell Karl Kraus’ Warnung vor Propaganda und moralischer Blindheit noch immer ist.